“Ich glaube, - sagte einmal die Schriftstellerin Isabel Abedi, - dass die Angst, die man hat, wenn man an einem Abgrund steht, in Wahrheit vielmehr eine Sehnsucht ist. Eine Sehnsucht danach, die Arme auszubreiten und zu fliegen”.
Es stimmt schon, dass sich aufgrund von Veränderungen Klüfte auftun, die unser Herz zum Rasen bringen und dass die Gewohnheit, im Gegensatz dazu, uns mit einer scheinheiligen Geborgenheit umhüllt und für unseren inneren Frieden sorgt. Wollen wir aber wirklich für immer das bleiben, was wir sind und die Chance verpassen unser tiefstes Inneres zu ergründen und ein erfüllteres, glücklicheres Leben zu führen? Und ist das überhaupt möglich, die Veränderung, also den Lauf des Lebens aufzuhalten?
Was man sich zunächst vor Augen führen sollte ist, dass das Gefühl der Sicherheit und Geborgenheit, das wir in unserer gewohnten Umgebung empfinden, leider vollkommen illusionär ist, weil wir so gut wie nichts, was um uns herum geschieht, wirklich kontrollieren können. Das heißt, dass sich unsere scheinbar solide Wirklichkeit in dieser Hinsicht kaum von einer Veränderung unterscheidet.
Gandhi sagte einmal, dass nicht der mutig ist, der keine Angst hat, sondern der, der seine Angst überwindet. Unser Ziel sollte es also nicht sein, keine Angst zu verspüren. Sie ist wie ein alter, lästiger Freund, der uns ständig zur Vorsicht ermahnt.
Vielmehr sollten wir uns darum bemühen zu akzeptieren, dass Angst ein Teil unseres Lebens ist und uns, in der einen oder der anderen Form, weit über die Grenzen einer Veränderung hinaus, unser ganzes Leben lang begleiten wird.
Wenn wir vor dem scheinbaren Abgrund einer Veränderung stehen, sollen wir also nicht die Augen zusammenkneifen und unsere ganze Energie darauf verschwenden, um gegen die Angst anzukämpfen. Schlaflose Nächte stehen uns bevor, egal ob wir es wollen oder nicht.
Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren zu erkennen, dass dieser furchterregende Abgrund in Wirklichkeit aus zahlreichen Alternativen, Möglichkeiten und Chancen besteht, die wir alle zu unserem Vorteil nutzen können. Was wir in einem solchen Moment also tun sollten ist, einen kühlen Kopf zu bewahren und, nach bestem Wissen und Gewissen, eine Entscheidung zu treffen und einen dieser Wege einschlagen. Denn der Moment der Veränderung ist einmalig und neue Wege, die sich vor uns auftun, sind in der Regel nur für eine begrenzte Zeit zugänglich.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund, warum wir die Angst als einen treuen Begleiter akzeptieren sollten. Es gibt nämlich etwas Unschätzbares, was uns die Angst lehrt und was wir oft übersehen: Vorsicht und Wertschätzung. Dinge, die uns beschützen und glücklich(er) machen können, wenn wir ihnen Beachtung schenken.
Die Angst ist also nicht böse und ist nicht dafür da, um unser Leben unerträglich zu machen. Vielmehr gehört sie zu unseren Schutzmechanismen und hilft uns dabei vernünftige Entscheidungen zu treffen und unser begrenztes Dasein auf dieser Erde bewusst zu genießen.
Und Veränderung sind nichts anderes als Chancen, die uns das Leben immer wieder gibt, um unser Potenzial auszuschöpfen und das Leben in vollen Zügen genießen zu können.
Es sind Veränderungen, die das Leben definieren, es lebenswert, wahrhaft und aufregend machen. Es sind Veränderungen, die uns dabei helfen, fortzubestehen, uns zu entfalten, zu wachsen. Wir brauchen Veränderungen, weil diese mit Leben gleichzusetzen sind.
Nathalia May, 13. Nov. 2021